Landwirtschaft 2030 – Ausblick auf die Zukunft der Landwirtschaft in NRW
Die Herausforderungen in der Landwirtschaft sind heute vielfältig. Landwirte sollen den Ressourcenverbrauch begrenzen, Belastungen der natürlichen Lebensgrundlagen reduzieren und Nutztiere tiergerecht halten.
Nach den Vorstellungen der Landesregierung soll der Öko-Landbau weiter ausgebaut werden. „Wir streben langfristig einen Anteil ökologisch wirtschaftender Betriebe von 20 Prozent an. Hierzu beabsichtigen wir unter anderem die Einrichtung von Öko-Modellregionen“, sagt Ursula Heinen-Esser, NRW-Landwirtschaftsministerin.
Wir sprachen mit Stephan Hufer und Stephan Kisters über die Realisierbarkeit nachhaltigen umweltfreundlichen und zugleich wirtschaftlichen Ackerbaus, die Nachfrage nach regionalen landwirtschaftlichen Produkten, das NRW-Programm „Landwirtschaft 2030“ und die Farm-To-Fork-Strategie der EU und den Einfluss klimatischer Veränderungen auf die Landwirtschaft Nordrhein-Westfalens.
Fotos: © Stephan Hufer, außer frisch geerntete Kartoffeln: © Ernährung-NRW e. V.
Wir in NRW haben durchaus landwirtschaftsfreundliche Bedingungen
Auf der Bönninghardt in Alpen bewirtschaftet Diplom-Agraringenieur Stephan Hufer einen Ackerbaubetrieb, der seit Generationen in der Familie ist. Ca. 60 Hektar sind mit Mais, Rüben und Getreide bestellt und bei einigen weiteren Gemüse- und auch Obstsorten kooperiert er mit landwirtschaftlichen Partnern.
Seit der heute 44jährige den Betrieb übernahm, spielt die Kartoffel auf 30 Hektar endgültig die Hauptrolle. Einfach, weil der gewachsenen Qualität des Nachtschattengewächses auf dem dafür besonders geeigneten Boden seine Leidenschaft gilt. Hufer bedient ausschließlich den Kartoffelfrischmarkt. Von den Frühkartoffeln im Mai bis zum Ernteende im Oktober und über die Lagerhaltung ist rund um‘s Jahr die gute Qualität von der Bönninghardt erhältlich.
Über den Lebensmitteleinzelhandel, Hofläden und Fachgeschäfte in der großen Rhein-Ruhr-Region sind die „Kartoffeln vom Bauernhof Hufer“ über ihr Renommee zu einem „Label“ geworden. „Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit haben viele Gesichter. Da wir unsere Vertriebspartner direkt beliefern, erreichen wir nicht die Masse, aber deshalb ist unsere Arbeit – bis hin zur persönlichen Regalpflege – auch nachhaltig“, findet Stephan Hufer. Und mit einer ‚Berufung‘ zur Landwirtschaft sei heute auch für jeden verbunden, weitestmöglich nachhaltig und umweltverträglich anzubauen und zu produzieren.
Auf Verbraucherseite sind die Anforderungen diesbezüglich gestiegen, wozu auch die Forderung der Landespolitik passt, den Ökolandbau bis 2030 auf 20% auszubauen. „Ich habe den Eindruck, dass die Ernährung für viele Menschen ganz allgemein eine größere Bedeutung bekommen hat und davon profitiert z. B. auch die Regionalität“, stellt Stephan Hufer fest. Gerade in den Zeiten der Verunsicherung in diesem Jahr habe er eine deutlich stärkere Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln registriert, aber auch, dass diese leider mit zurückgekehrter Unbeschwertheit wieder etwas nachgelassen habe.
Die von der Politik formulierte Erwartung an die Landwirtschaft 2030 hält er – wenn auch nicht neu – für legitim, gibt aber zu bedenken, dass neben der Stimmigkeit der Bedingungen und Finanzierbarkeit ein solches Angebot auch mit der tatsächlichen Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher kompatibel sein muss. „Aus meiner Sicht ist unser Berufsstand immer zu Weiterentwicklungen bereit, wenn der Rahmen stimmt und stringent ist“, sagt Hufer.
Zum ‚Rahmen‘ gehört auch eine faire Entlohnung. Fühlt der Landwirt sich und seine Arbeit angemessen bezahlt? „Ich würde schon sagen, dass die in der Landwirtschaft allgemein erzielten Preise nicht ausreichend im Verhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen. Grundsätzlich verdienen diese eine bessere Honorierung“, findet Stephan Hufer.
So manche Vorgabe der Politik hält er für nicht wirklich zielkonform und zu Ende gedacht. Die diskutierte Düngeverordnung enthält seiner Meinung nach Elemente, die für die Böden sogar kontraproduktiv wären und dies ganz unabhängig von ökologischem oder konventionellem Anbau. „Ich denke, auch Farm-To-Fork bedarf noch einiger Konkretisierungen. Aber selbst wenn die Politik gute Ideen hat, muss die Gesellschaft bei der Umsetzung auch mitspielen“, weiß Stephan Hufer.
In den genannten Programmen und Strategien spielt die Veränderung des Klimas eine zentrale Rolle. „Und“, so Hufer, „es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns den Veränderungen anzupassen und mit ihnen zu leben, naturgegebene Ressourcen zu nutzen und auch andere, neue Sorten anzubauen und zu kultivieren. Und wir haben hier – allen Widrigkeiten zum Trotz – einen Naturraum, der noch viele Möglichkeiten bereithält. Bei allem Respekt und allen Befürchtungen vor dem Klimawandel ist und wird Nordrhein-Westfalen auch künftig ein bedeutender Standort für die landwirtschaftliche Produktions- und Ernährungswirtschaft bleiben“, prognostiziert Stephan Hufer.
Auch deshalb findet er den Ernährung-NRW e. V. so wichtig für die landwirtschaftlichen Produzenten in unserem Land und hat sich von Anbeginn für eine Mitgestaltung interessiert.
„Die Umstellung auf Bio ist eine Option“
Stephan Kisters, Landwirt aus Geldern-Walbeck, baut die EU-geschützte Spezialität Walbecker Spargel an. Auch Heidelbeeren, Mais, Kartoffeln und Getreide gehören zu seinem Portfolio. „Wir als Familie Kisters beschäftigen uns schon lange mit dem innovativen Anbau von Spargel und Heidelbeeren. Wir machen Gründüngung und Begrünung im Spargelanbau, um Humus in die Pflanzenanlagen zu bekommen, um weniger zu düngen, die Nährstoffe nicht ins Grundwasser auszuschwemmen, sondern um sie zu erhalten“, so Kisters.
Seit geraumer Zeit beschäftigt er sich auch mit dem biologischen Anbau, weil er glaubt, dass Vieles heute möglich ist. „Moderne Technologien und Maschinen unterstützen die Landwirtschaft und vereinfachen die Arbeitsprozesse. Wichtig aber bei allen Planungen ist, dass die Landwirtschaft in Deutschland bleibt“, so Stephan Kisters, Vorstandsvorsitzender der Spargelbaugenossenschaft Walbeck und Umgegend eG und Vorstandsmitglied im Ernährung-NRW e. V., dem Netzwerkpartner für die Land- und Ernährungswirtschaft. „Dazu gehören auch Arbeitskräfte, die die Landwirte unterstützen. Diese zu finden, ist gar nicht so einfach. Viele Menschen sind heute nicht mehr gewillt, in der landwirtschaftlichen Produktion tätig zu sein,“ erklärt Kisters.
Die Corona-Pandemie betrifft natürlich auch die Lebensmittelbranche. Essen ist Kommunikation, wird immer mehr auch als Freizeitgestaltung erlebt und somit für die Menschen im Lockdown zwangsläufig wichtiger. Kantinen und die Gastronomie sind geschlossen. Die Menschen im Home Office beschäftigen sich intensiver mit Nahrungsmitteln und damit auch mehr mit deren Herkunft und Herstellung.
Dies ist eine Chance für Landwirte, Handel und Verbraucher, um ins Gespräch zu kommen und ernsthaft zu diskutieren, wie nachhaltig und CO2-neutral Lebensmittel erzeugt werden können, die gesund sind, gut schmecken und aus der Region kommen. „Lasst uns diese Zeit nutzen, um gemeinsam diese Diskussion weiterzuentwickeln, so dass wir alle davon profitieren – sowohl die Landwirtschaft als auch die Verbraucher“, appeliert Stephan Kisters.
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Foto und Video: © b4c-Werbeagentur