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Foto: Kaffeebohnen (© Neues Schwarz)

Vom anderen Ende der Welt in unsere Tassen – Warum specialty coffee trotzdem nachhaltig und ein regionaler Genuss ist

Ziemlich wahrscheinlich stand die Wiege unseres Volksgetränks Nr. 1 im Äthiopien des 9. oder 10. Jahrhunderts.
Überlieferungen erzählen, Hirten hätten bemerkt, dass ihre Ziegen nach dem Genuss der roten Früchte von anhaltender Munterkeit waren, bevor sie – im Selbstversuch, einem Aufguss des Samens – die anregende Wirkung auch bei sich selber feststellten.
Auch für die Entdeckung der Röstung gibt es eine plausible Erklärung: Ein Kaffeezweig mit Früchten soll ins Feuer gefallen sein und die Anwesenden mit köstlichem Duft verzaubert haben. Dass das äthiopische Königreich „Kaffa“ alsdann Namensgeber für das Genussmittel wurde, ist nur zu logisch…

Erst Mitte des 15. Jh. fanden die Kaffeepflanzen über Sklavenhändler den Weg nach Arabien, in den Jemen. Von dort und über Mekka und Medina verbreitete sich das aromatische Getränk im gesamten arabischen Raum. Nach der türkischen Eroberung im 16. Jh. trat dann der Kaffee seinen Siegeszug ins zunächst südöstliche Europa an. Das erste Kaffeehaus eröffnete 1554 in Konstantinopel und bereits 100 Jahre später etablierten sich solche u. a. in Venedig, Paris, Amsterdam, London, Marseille, 1673 in Bremen und kurz darauf in Hamburg.
Die Europäer hatten schnell ihre Kolonien als gewinnträchtige Kaffeeanbaugebiete ausgemacht. Auf Kuba, Ceylon, Java, Bali und den Philippinen, in Guatemala, Brasilien, Jamaika und Mexiko entstanden Kaffeeplantagen. Denn der immergrüne Strauch mit den dunkelgrünen Blättern und roten Früchten verlangt besondere klimatische Bedingungen bei permanenten 20-26, jedoch nie unter 15 Grad mit ca. fünf Sonnenstunden täglich, mag es etwas, aber nicht zu feucht mit 1,5-2 Litern Niederschlag im Jahr und hasst Frost. Kurzum – es muss einfach subtropisch sein.

Damals blieb der Kaffee aber noch für lange Zeit den begüterteren Schichten vorbehalten, während sich die anderen mit Kaffeeersatz aus Zichorie oder Malz begnügen mussten. Später senkten die weltweite Verbreitung und die Technisierung den Preis und hoben den Kaffee in die Top-Ten der Getränke. Heute liegen die Hauptanbaugebiete für Kaffees der Art Arabica noch immer in süd- und mittelamerikanischen sowie afrikanischen Ländern wie Äthiopien und Kenia; Robusta-Sorten werden hauptsächlich in einigen Ländern Asiens und Westafrikas bzw. in Uganda angebaut.

Kaffee ist ein Genussmittel, das weltweit in verschiedenen Varianten zubereitet und täglich milliardenfach konsumiert wird.
„There’s no life before coffee“ ist auch hierzulande vielfach das morgendliche Motto. Und weil jede(r) von uns angeblich und durchschnittlich mehr als sechs Kilogram bzw. ca. 165 Liter jährlich zu sich nimmt, gibt es wohl mehr als 1.500 große, mittlere und kleinere Röstereien in Deutschland. Besonders viele mit besonders guten Kaffees finden sich in Nordrhein-Westfalen und dies nicht nur in Großstädten wie Düsseldorf, Köln, Bielefeld, Aachen oder Dortmund und Essen, sondern auch in Münster, Hilden, Medebach, Schwelm oder Mülheim an der Ruhr. Einige betreiben auch eigene Kaffeehäuser, die zum Genießen und Verweilen einladen. Die meisten dieser kleinen aber feinen Betriebe beziehen den Rohstoff direkt bei den Farmern, rösten regelmäßig aber nur kleinere Mengen und vertreiben ihre Kaffees überwiegend im regionalen Umfeld. Sie wissen, was guten Kaffee ausmacht, nutzen die Sortenvielfalt und experimentieren mit immer neuen Geschmacksnuancen.

Nach wie vor zählt der wie auch immer gefilterte Kaffee zu den meistverkauften Sorten, aber auch der wegen geringerer Säure bekömmlichere Espresso-Kaffee hat deutlich an Popularität zugelegt. Die allgemein gestiegene Nachfrage nach Spezialitäten- oder Hand-Craft-Coffees beruht auf einem gestiegenen Bewusstsein, Kaffee als Genussmittel wahrzunehmen, sich Zeit dafür zu nehmen und auch hier – wie bei so vielen anderen Lebensmitteln – Wert auf besondere Qualität zu legen.

Fachleute beobachten, dass die „Third Wave“, eine Phase des Kaffeekonsums, die in den 1990er Jahren ihren Anfang in den USA nahm, dann Kanada, Australien, Neuseeland und das nördliche Europa erfasste, längst auch bei uns angekommen ist. Kaffeekultur wird neu interpretiert: Kaffeefans wünschen Klasse, Vielfalt, lückenlose Überwachung vom Anbau bis zur Zubereitung, Rückverfolgbarkeit der Kaffeeernten aus zertifizierten Anbaugebieten und nachhaltiger Landwirtschaft zu fairen Produktions- und Handelsbedingungen.

Die im östlichen Ruhrgebiet bekannte Rösterei „Neues Schwarz“ ist Mitglied in der Specialty Coffee Association (SCA Deutschland), weil Mitarbeitende mit den hauseigenen Kaffeekreationen an von der SCA ausgeschriebenen Wettbewerben teilgenommen haben.
Die Heitmann-Brüder Johannes, mit einer Affinität zu Zahlen, und Benedikt, mit einer zu Kaffeebohnen, eröffneten 2015 die Kaffeerösterei mit trendiger Espresso- und Brewbar in Dortmund-Mitte.

Der Impuls kam von Benedikt, der schon im Studium der Stadt- und Regionalplanung das Gefühl hatte, dass seine berufliche Karriere noch einmal einen ganz anderen Plan für ihn bereithalten würde… Ein paar Anstellungsjahre später kreuzten sich dann in Nürnberg seine und die Wege eines damals schon renommierten Kaffeerösters und die Begeisterung für specialty coffees war so stark entfacht, dass er das Rösten derselben schnell lernte. „Inzwischen haben wir unsere Kundinnen und Kunden – größtenteils Menschen zwischen Mitte 20 und Mitte 40 – die sich, Weinkennern ganz ähnlich, Gutes gönnen und dafür Zeit nehmen, in ihrem neuen Bewusstsein für zelebrierten Genuss bestärkt und handgebrühtem Kaffe zu einer Renaissance verholfen“, ist sich der Jungunternehmer sicher.

„Neues Schwarz“ verarbeitet nur außergewöhnliche Bohnen höchster Qualität aus zahlreichen überseeischen Herkunftsländern zu je acht bis zehn hellen Filterkaffee- und Espressiröstungen – und davon monatlich ca. drei Tonnen. „Weil die Zahl derer, die daneben auch etwas Besonderes wünschen, sichtbar wächst, verkaufen wir neben den bewährten ganzjährigen Aromaprofilen zumeist aus lateinamerikanischen Bohnen saisonal auch immer mehr ausgefallene eher fruchtige Kaffees afrikanischer Herkunft“, hat Benedikt Heitmann festgestellt.

Mit ihren landwirtschaftlichen Partnern in der Ferne pflegen sie – zumindest über vertrauensvolle Agenten vor Ort, die, wie sie, die dortigen Familienstrukturen stärken wollen – langfristige Beziehungen, die auf gerechter Bezahlung und fairem Miteinander basieren. „Aber“, so Benedikt Heitmann, „als man noch reisen konnte, haben wir einige Produzenten vor Ort in Lateinamerika persönlich kennengelernt.“

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Video (© Jörg Meyer | jumpr.com)

Auch das „Bohnenkartell“, von zwei leidenschaftlichen Kaffeeliebhabern, den Freunden Alexander Winter und Maximilian Kranz, 2019 im Essener Trendviertel Rüttenscheid eröffnet, setzt in der eigenen Rösterei auf specialty coffees.
Im Jahr darauf investierten die Beiden in eine eigene gusseiserne Second-Hand-aber hochwertige Rösttrommel eines namhaften Herstellers. Seitdem rösten sie Woche für Woche ihre eigenen Kaffeespezialitäten – bislang noch in den Café-Hinterräumlichkeiten und immer nur bis zum First Crack. Auch bei ihnen hat es je einen Studienabschluss und einen beruflichen Umweg gedauert, bis die Jung-Unternehmer ihre Berufung gefunden hatten. Dass die Philosophie der „Third Wave“ ihrer Vorstellung von Kaffeeproduktion und -genuss voll entspricht, war hingegen sehr schnell klar. Zwar kennen sie noch nicht alle ihre Kaffeeproduzenten am anderen Ende der Welt persönlich, was nicht zuletzt auch an den Mobilitätseinschränkungen seit März 2020 liegt, aber die Kontaktpersonen bzw. Einkäufer vor Ort sind den Beiden gut bekannt und genießen das volle Vertrauen von Alex und Max.

Außer im „Bohnenkartell“-Café gibt’s ihre Spezialitäten seit Neuestem auch ’to go’ in einer zweiten kleineren Kaffeebar auf der Flanier- und Shoppingmeile „Rü“‚ und sie werden von Cafés, Restaurants und Unternehmen in Essen und Umgebung bezogen, die ihren Gästen, Geschäftspartnern und Mitarbeitenden hochwertigen bekömmlichen Kaffe gönnen möchten. Persönliche Beratungen, Schulungen und Barista-Kurse runden das Angebot ab.

Seminare, Verkostungen und Veranstaltungen bietet – neben der Veredelung ausgewählter Rohkaffees aus aller Welt – auch die „Kaffeemanufaktur Ruhr“ mit Röstmeister Ralf Kijewski im benachbarten Mülheim an. Bei ihm duftet es besonders intensiv montags, am Rösttag, wenn im gusseisernen Trommelröster bei 180-210 Grad langsam, mit viel Geduld, Wissen, Erfahrung und Gespür für die Bohne Kaffees für klassisch aufgebrühten Filterkaffee, die Kaffeemaschine oder French Press, die Karlsbader Kanne, den Vollautomaten oder die Siebträgermaschine geröstet wird.

Von ihm erfahren wir, wie man Kaffeeröster wird und ob dies ein Ausbildungsberuf ist. Der IHK-geprüfte und -zertifizierte Kaffeesommelier, Röster von Spezialitätenkaffee (IHK), Chef-Dipl. Kaffeesommelier, Professional Barista (SCAE) muss es schließlich wissen. „Der Kaffeeröster ist schon seit den 1970er Jahren kein klassischer Ausbildungsberuf mehr“, bedauert der Besitzer der „Kaffeemanufaktur Ruhr“. „Vielleicht“, so hofft er, „werden in absehbarer Zukunft und insbesondere bei steigender Nachfrage nach besonderen Kaffees auch wieder handwerkliche Kaffeeröster ausgebildet.“ Er selber hat seine Abschlüsse rund um das Kaffeewissen in Deutschland und Österreich gemacht und sich erfolgreich bei der SCAE (Specialty Coffee Association of Europe) in den Modulen Brewing, Sensory und Green Coffee prüfen lassen, aber beim Rösten ist er auch Autodidakt. „Das kann man am besten lernen, indem man sich theoretisch über Literatur und mit unterschiedlichen Rohkaffees beschäftigt und diese dann in einem Proben- oder kleinen Handröster selber röstet. Unbedingt empfiehlt er dem interessierten Laien die von fast allen engagierten Röstereien angebotenen Kurse, Workshops und open cuppings zu nutzen, wenn man mehr über Bohnen, Röstung und Zubereitung lernen will. Ralf Kijewski selber war jedenfalls bereits sehr früh sehr wissbegierig. Schon im Grundschulalter habe er des Geschmacks und der belebenden Wirkung wegen sein Frühstücksbrot in Milchkaffee getunkt „und während der Ausbildung in der Lebensmittelbranche und später im kaufmännischen Bereich bewahrte mich das Lebenselixier vor so manchem beruflichen Sekundenschlaf“, erinnert er sich. Letztere kommen heute nicht mehr vor, dafür liebt er seinen Beruf zu sehr und brennt – wie seine Essener und Dortmunder Kollegen – darauf, noch viele wunderbare Kaffees zu veredeln und damit viele Kaffeegenießer zu verwöhnen.

Foto: Kaffeeernte (© Neues Schwarz)
Foto: Anbaugebiet (© Neues Schwarz)
Foto: Team von Neues Schwarz im Anbaugebiet (© Neues Schwarz)
Foto: Kaffeesack (© Neues Schwarz)
Foto: Kaffeebohnen in der Rösterei (© Neues Schwarz)
Foto: frisch zubereiteter Kaffee (© Neues Schwarz)

Beitragsfoto: Kaffeebohnen,
Fotos: reife Kaffeefrüchte, Kaffeeernte, Anbaugebiet, Neues-Schwarz-Team im Anbaugebiet, leere Kaffeesäcke, gerösteter Kaffee, frisch zubereiteter Kaffee (© Neues Schwarz)

Foto: Kaffeerösterei (© Kaffeemanufaktur Ruhr)
Foto: Kaffeegenuss (© Kaffeemanufaktur Ruhr)
Foto: Kaffeegenuss (© Kaffeemanufaktur Ruhr)

Fotos: in der Kaffeerösterei, Kaffeegenuss (© Kaffeemanufaktur Ruhr)

Kaffeerösten

Beim Rösten werden die Bohnen trocken und fettfrei erhitzt. Je heißer geröstet wird, desto kürzer die Dauer. Nach dem Röstvorgang werden die Bohnen sofort abgekühlt, da sie sonst verbrennen würden. Während des Vorgangs verändern sie ihre Farbe von zartgrün über gelb und gelbbraun zu hellbraun – bis zu dunkelbraun wie die Espressobohne. Das in den Bohnen verdampfende Wasser erzeugt einen Innendruck, der zusammen mit den freigesetzten Röstgasen dazu führt, dass sie sich um fast das Doppelte aufblähen. Dann erfolgt der First Crack, das Aufplatzen der Bohne, wodurch das äußere Bohnenhäutchen abfällt. Für dunklere Röstungen wird der Second Crack abgewartet, wobei die Bohne noch mehr Wasser verliert und ihre Zellstrukturen bereits verbrennen. Durch das Mischen unterschiedlicher Kaffeesorten erstellen Röster ein spezielles Aromaprofil. Kaffees unterschiedlicher Herkunft, Sorte und Qualität werden dabei aufeinander abgestimmt. Dies geschieht entweder vor der Gesamtröstung oder nach den Einzelröstvorgängen. Von der Ernte an wird der Kaffee permanent geprüft, probiert und klassifiziert. Manche Fachleute riechen, schmecken, begutachten und verkosten bis zu 150 Kaffees täglich.

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