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Lebensmittelspezialitäten aus NRW – regionaler Genuss mit EU-Geoschutz-Siegel
Traditionelle Spezialitäten, als ursprüngliche Erzeugnisse oder als Produkte, die mit frischen spezifizierten Zutaten aus der Region nach überlieferten Rezepturen zubereitet werden, finden sich in allen Landesteilen Nordrhein-Westfalens. Einige wie Pumpernickel oder Knochenschinken aus Westfalen, das Kölsch, der Mostert oder die Aachener Printe sind über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Ähnlich dem Schwarzwälder Schinken, dem Nürnberger Lebkuchen, französischem Champagner, italienischem Chianti-Wein, spanischem Serrano-Schinken oder Feta-Käse aus Griechenland repräsentieren sie ihre Heimat als ‚Genussbotschafter‘.
Viele Menschen kennen diese und andere regionaltypische Lebensmittelspezialitäten. Häufig wissen sie allerdings nicht, dass es sich um Erzeugnisse handelt, deren besondere Herkunft, überlieferte Zusammensetzung und Herstellung oder typischer Geschmack Europa-weit geschützt sind.
Hier sieht auch Stefan Waltering, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Westfälische Schinken- und Wurstspezialitäten e. V., den Bedarf nach mehr Information: „Unsere Mitglieder haben sich seinerzeit zusammengetan, um Standards zu definieren, nach denen der Westfälische Knochenschinken g. g. A. hergestellt werden muss. Wir wollen, dass dieses in der Region verankerte Know-How zu einem traditionellen Produkt auch in der Region bleibt. Es ist bedauerlich, dass unsere Kunden – Endkunden wie Handel – häufig gar nicht wissen, dass das EU-Siegel auch eine gesicherte Qualität gemäß der spezifizierten Standards bedeutet.“
Den Begriff ‚Mindeststandard‘ verwendet Waltering dabei nicht gerne: „Wichtig war uns damals, dass durch den Schutz für den Westfälischen Knochenschinken niemand im ursprünglichen Herkunftsgebiet ausgeschlossen wird. Für die Mitglieder unserer Schutzgemeinschaft haben wir die Latte trotzdem noch etwas höher gelegt, als es die EU-Spezifikation verlangt. Für unsere Westfälischen Knochenschinken g. g. A. müssen mindestens 80 % der Tiere aus heimischen Ställen kommen. Damit wir die Schinken auch in Zeiten produzieren können, in denen Tiere beispielsweise seuchenbedingt fehlen, dürfen 20 % auch aus anderen Regionen Deutschlands stammen.“
Bereits 1992 hatte die Europäische Union die Schutzbedürftigkeit von regionalen Spezialitäten festgestellt. Seither gibt es verschiedene EU-Siegel, mit denen sich die Erzeuger europäischer Lebensmittelspezialitäten gegen Missbrauch und Nachahmung schützen können. In NRW tragen 18 Spezialitäten die Auszeichnung ‚Geschützte geografische Angabe‘ (g. g. A.). Die ‚Stromberger Pflaume‘ erhielt sogar das ganz besondere, weil seltene Siegel ‚Geschützte Ursprungsbezeichnung‘ (g. U.). Für letzteres müssen, im Gegensatz zur g. g. A.-Kategorie nicht nur mindestens eine der Produktionsstufen Erzeugung, Verarbeitung oder Herstellung im spezifizierten Herkunftsgebiet stattfinden, sondern alle drei Stufen.
Regionale Produkte gewinnen bei den Menschen sowohl zu Hause als auch in der Urlaubsregion an Bedeutung und damit steigen auch ihre Chancen auf einem sehr globalisierten Markt. Gesicherte Herkunft und Qualität der Spezialitäten werden damit zum Mehrwert. Das bestätigt auch Stefan Waltering: „Andere Kollegen und ich werben mit dem EU-Siegel für den Westfälischen Knochenschinken g. g. A. Es hilft uns bei der Vermarktung und der Absatz hat in jedem Fall davon profitiert. Wir achten allerdings auch auf die korrekte Anwendung, denn jeder der das Siegel nutzt wird im Abstand von ein bis zwei Jahren durch eine unabhängige Stelle kontrolliert.“
Dem konsequenten Schutz regionaler Spezialitäten wird andernorts allerdings noch eine deutlich größere Bedeutung zugemessen. Dort stellen die Erzeugnisse auch oder gerade in der touristischen Vermarktung einen wichtigen Faktor dar. Sie stehen für das Image einer Region oder eines Landes, das auch über die Kommunikation der Spezialitäten gelebt wird. Dieses Potenzial haben andere erkannt und nutzen das Instrument Herkunftsschutz sehr konsequent. So beispielsweise das Bundesland Bayern, wo gleich zwei Internetplattformen (https://www.weltgenusserbe.bayern/ und https://spezialitaetenland-bayern.de/) sehr selbstbewusst zum Thema informieren.
Von den 91 deutschen Erzeugnissen mit EU-Siegel stammen allein 50 aus Bayern. Im europäischen Ranking liegen andere Länder jedoch weit vorn: das EU-Register der geografischen Angaben weist für Italien 311 geschützte Produkte aus, für Frankreich 257 und für Spanien 199.
Die kulturelle Bedeutung von Lebensmittelspezialitäten betont auch Astrid Schmitz, Geschäftsführerin der GS Schmitz GmbH & Co. KG, einem Mitglied des Ernährung-NRW e. V. Frau Schmitz und ihre Mitstreitenden der Schutzgemeinschaft Kölner Wurstspezialitäten e. V. haben den Herkunftsschutz für die Flönz g. g. A. initiiert. „Die Flönz hat nach der Auszeichnung mit dem EU-Siegel eine gute Performance hingelegt“, bestätigt Frau Schmitz. Sie selbst bewirbt die Flönz g. g. A. sehr engagiert, in den eigenen Online-Auftritten, in bekannten TV-Koch-Formaten, aber auch auf großen Bühnen wie der ‚Grünen Woche‘ in Berlin. Und diese Präsenz zahlt sich in ihren Augen aus.
Während der Pandemie musste sie allerdings auch feststellen, dass die Flönz und ihre Erlebbarkeit in Gastronomie und Karneval sehr eng miteinander verbunden sind: „Vor Corona konnten wir die Menschen mit dem Thema ‚Flönz‘ erreichen und berühren, denn dieses Produkt lebt von der Menschlichkeit. All das fehlte im letzten Jahr.“ Für sie ein Grund mehr, die Lebensmittelspezialitäten auch an anderer Stelle stattfinden zu lassen, z. B. in Form einer gemeinschaftlichen Präsentation der NRW-Spezialitäten im Handel.
Astrid Schmitz sieht beim Thema Herkunftsschutz für NRW noch Potenzial. In diesem Zusammenhang ist ihr der Hinweis auf den Support durch das Land NRW wichtig: „Ohne das Engagement der Verantwortlichen im Ministerium und beim LANUV hätten wir das EU-Siegel nie erhalten.“
In NRW unterstützen das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MULNV) und das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) die Erzeuger, Hersteller und Gemeinschaften, die sich für den EU-weiten Schutz regionaler Spezialitäten und deren gemeinsame Vermarktung engagieren. Die Hilfestellung ist angesichts der spezifischen Anforderungen von Antragsverfahren, der späteren Umsetzung markenrechtlicher Vorgaben und der Fördermöglichkeiten im Rahmen der Absatzförderung durchaus sinnvoll.
Auch der Ernährung-NRW e. V. engagierte sich bereits für das Thema, u. a. durch die Mitwirkung an einer Informationsveranstaltung des MULNV in der NRW-Landesvertretung bei der EU in Brüssel. Auf der Website nrw-isst-gut.de finden sich zudem immer ausführliche Informationen zu den geschützten NRW-Lebensmittelspezialitäten und viele Rezepte für deren Zubereitung.
Das MULNV stellt zum Thema die umfangreiche Broschüre ‚So schmeckt Heimat‘ für den kostenlosen Download bereit (https://www.umwelt.nrw.de/mediathek/broschueren/detailseite-broschueren?broschueren_id=6783&cHash=90379fe67d104ed64c62c4b96f8470e6).
Fotos: Westfälischer Knochenschinken g. g. A., Stefan Waltering und Westfälischer Knochenschinken g. g. A. (© Stefan Waltering)
Beitragsfoto: Flönz g. g. A. mit EU-Siegel,
Fotos: Flönz g. g. A., Flönz g. g. A. und Kölsch g. g. A., gebratene Flönz, Himmel und Äd (© Schutzgemeinschaft Kölner Wurstspezialitäten e. V. – Yavuz Arslan)