Die Pandemie und ihre Auswirkungen – Erfahrungsberichte aus der NRW Ernährungswirtschaft und dem Lebensmittelhandwerk
Die Covid-Pandemie hat Vieles auf den Kopf gestellt. Wie stark einzelne Wirtschaftszweige vom Coronavirus betroffen sind, ist von Branche zu Branche sehr unterschiedlich. So sind Hotellerie und Gastronomie entlang der Wertschöpfungskette beinahe zum Erliegen gekommen, weil sie schließen mussten, Veranstaltungen und Reisen wurden untersagt und Grenzen geschlossen. Gestörte Lieferketten und durch Verordnungen entstandene Einschränkungen auf der Angebots- und Nachfrageseite beeinträchtigten viele Industrie- und Handelsbetriebe stark. Branchen, in denen die Ansteckungsgefahr geringer, oder wo dezentrales Arbeiten z. B. im Homeoffice möglich war, waren weniger betroffen.
Auch das Verbraucherverhalten änderte sich. Die Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln hat sich beispielsweise weiter verstärkt. Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag des NRW-Landwirtschaftsministeriums hat ergeben, dass rund 75 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen sich mehr Lebensmittel aus der Region im Einzelhandel wünschen.
Auch im neuen Food Report 2022 der Trendforscherin Hanni Rützler wird diese Entwicklung bestätigt. Die Corona-Pandemie wird unser Leben langfristig verändern, so ihre These. „Verhaltensweisen, die über Monate zwangsweise erprobt wurden, werden auch nach der Krise unsere Esskultur und unsere Konsumgewohnheiten prägen. Im künftigen ‚New Normal’ wird sich das etablieren, was sich als besser und passender zu den veränderten Bedürfnissen der Menschen herausstellt. Nachhaltigkeit im ökologischen und sozialen Sinne wird zu einem neuen Qualitätskriterium. Insbesondere Food & Beverage-Unternehmen müssen da Haltung zeigen“, so das Intro zu ihrem Trendreport.
Ernährung-NRW e. V. hat neben anderen auch Mitgliedsunternehmen befragt: „Was hat sich durch Corona verändert? Wie hat sich das beispielsweise auf den Personaleinsatz, Warenfluss, die Vertriebswege und den Umsatz ausgewirkt?“
Beitragsfoto: © Fleischerverband NRW
Fleischerverband NRW aus Meerbusch
„Die direkten und unmittelbaren Auswirkungen von Corona – oder besser gesagt, der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie – auf das Fleischerhandwerk haben viel mit der Struktur des einzelnen Betriebes zu tun, die bei den handwerklichen Fleischern sehr heterogen ist“, berichtet Dr. Sabine Görgen, Geschäftsführerin des Fleischerverbandes NRW. „Betriebe, die ‚vor Corona’ einen großen Anteil des Umsatzes mit Catering und Partyservice oder der Belieferung der Gastronomie erzielt hatten, haben häufig deutliche Umsatzverluste erlitten. Auch Standorte in Innenstadtlagen, die in hohem Maße vom Kundenlauf abhängig sind, verzeichneten Verluste. Dahingegen haben Betriebe die Nahversorgerfunktionen für das unmittelbare Umfeld haben durchaus profitiert, denn zu den Folgen der Corona-Maßnahmen gehört auch, dass viele Endverbraucher wieder vermehrt für sich und ihre Familien selber kochen. Hier konnte das Fleischerhandwerk mit seinen regionalen Strukturen und dem Vertrauensvorsprung, den es bei den Kunden besitzt, punkten.“
Corona hat auch der betrieblichen Organisation einiges abverlangt. Neue Pflichten sind hinzugekommen, Beschränkungen der Kundenzahl im Laden mussten bewältigt, bauliche Maßnahmen wie zum Beispiel Plexiglasabgrenzungen umgesetzt werden. Viele Betriebe bieten ihren Kunden mittlerweile einen Lieferservice nach Hause an oder die Möglichkeit, den Einkauf via App oder Internetseite vorzubestellen. Auch die Nutzung von Verkaufsautomaten hat einen neuen Schub erhalten.
„Der Stellenwert von regionalen Produkten hat sich auf jeden Fall spürbar verändert“, so Dr. Görgen. In der Umfrage des Fleischerverbandes Nordrhein-Westfalen im Januar 2021 zu den Auswirkungen von Corona auf die hiesigen Betriebe haben 81 Prozent der Betriebe angegeben, auch neue Kunden gewonnen zu haben. In der Krise haben sich viele Verbraucher auf ihre regionalen Versorger besonnen.
Es gibt aber auch viel Positives zu berichten: Viele Betriebe haben sich in der Pandemie in sehr kurzer Zeit neues Know how zum Umgang mit digitalen Hilfsmitteln erarbeitet. „Das sind etwa die bereits erwähnten Apps zum Vorbestellen, aber auch die Nutzung sozialer Medien, allen voran Facebook und Instagram, um mit den eigenen Kunden im Gespräch zu bleiben. Insgesamt hat sich das Fleischerhandwerk tapfer geschlagen. Es zeigt sich wieder einmal, dass eine Krise immer auch Innovationsschub bedeutet“, so die Geschäftsführerin des Fleischerverbandes NRW.
Fotos: Fleischer, Fleisch auf dem Grill (© Fleischerverband NRW)
www.fleischer-nrw.de
Foto: Pflaumenernte, Display (© Mühlhäuser GmbH)
www.mhl-group.com
Mühlhäuser Konfitüren aus Mönchengladbach
Als Marmeladen- , Konfitüren- sowie Pflaumenmushersteller hat die Mühlhäuser-Gruppe die Corona-Pandemie gut überstanden. Zum einen haben Viele im Home Office gearbeitet, so dass mehr zu Hause gefrühstückt und damit auch mehr Konfitüre verzehrt wurde. Gerade am Anfang der ersten Welle horteten Verbraucherinnen und Verbraucher Konserven und andere haltbare Lebensmittel. Dazu gehörten auch die Produkte von Mühlhäuser. Das normalisierte sich im Sommer 2020 wieder und der Absatz hat sich seither auf ein normales Niveau eingependelt.
Der Hauptvertriebsweg von Mühlhäuser ist der Lebensmitteleinzelhandel, der seine Geschäfte weitestgehend unbeeinflusst von der Krise weiterführen konnte. „Der Food Service brach natürlich ein, da die Gastronomie und Hotellerie schließen musste. Der Handel war als Partner verständnisvoll, gerade am Anfang der Pandemie, als es zu Lieferengpässen kam und schnell geliefert werden musste“, so Andreas Heinz, Vertriebsdirektor von Mühlhäuser.
Nachdem diejenigen Beschäftigten aus der Zentrale entweder ins Home Office geschickt wurden oder ihre Arbeit in Einzelbüros abwechselnd erledigen konnten, war es natürlich auch wichtig, dass die Mitarbeitenden in der Produktion gesund blieben. Durch ein Hygienekonzept konnte dies gewährleistet werden. Mittlerweile sind viele Mitarbeiter geimpft. Vorsicht ist allerdings weiterhin geboten. Andreas Heinz schaut positiv in die Zukunft: „Wir sind jetzt bald eineinhalb Jahre mit der Pandemie beschäftigt und hoffen, dass wir auch nach diesem Öffnungssommer durch Impfungen und Coronatestungen die Pandemie unter Kontrolle behalten können.“
Dennis Gasper, Küchenmeister aus Düsseldorf
Einen ganz neuen Weg am Anfang der Corona-Krise 2020 ist Küchenmeister Dennis Gasper gegangen. Nach langjähriger Tätigkeit bei der Henkel AG, zuletzt als Küchenleiter und verantwortlich für rund 60 Mitarbeitende, hat er Anfang 2020 den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Sein Wunsch war es, weg von der industrialisierten, kostengetriebenen Großküche zurück zum handwerklichen Kochen zu kommen und andere Menschen für dieses Kochhandwerk zu begeistern. Mit Anfang 40 Jahren wollte er einen neuen Weg gehen. Er entwickelte ein digitales Kochkursformat, in der die Teilnehmer zu Hause in ihren Küchen aktiv selber mitkochen und der Küchenmeister per Zoom zugeschaltet ist. Alle Teilnehmer kochen nach seinen Anleitungen mit. Die Zutaten kauft jeder Teilnehmer in seinem regionalen Umfeld im Vorfeld selbst ein.
Je nach Jahreszeit wird mit saisonalen Zutaten gekocht wie beispielsweise Spargel oder anderem Gemüse. „Die Pastabox ist allerdings einer meiner Bestseller“, so Dennis Gasper. „Und im Winter bieten wir die Christmas-Box und einen Cocktail-Abend an, alles auf die Kunden abgestimmt. Die Zutaten sind weitestgehend regionaler Herkunft und wenn möglich in Bio-Qualität. Ohne den Digitalisierungsschub durch die Pandemie wäre dieses Geschäftsmodell sicherlich nicht so schnell so erfolgreich geworden und wir haben hiermit ein zukunftsfähiges digitales Format der Ernährungsbildung geschaffen“, fasst Dennis Gasper zusammen.
Wie sich an diesen Beispielen deutlich zeigt, haben sich viele Herausforderungen in der Pandemie ergeben. Nach anfänglichen Geschäftseinbußen haben es Viele aber auch verstanden, sich mit ihren Herstell- und Vertriebsmethoden neu aufzustellen. Marktteilnehmer haben sich den neuen Verhältnissen und Konsumentenbedürfnissen aktiv gestellt und kommen teilweise gestärkt aus der Pandemie heraus.
Fotos: Dennis Gasper, Küchensituation, Küchenstudio (© Dennis Gasper)
www.dennisgasper.de