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Foto: Spirulina-Microalgen (Copyright: Robert Medlin)

Das grüne Wunder aus Ahlen

„Mein Mann hat ja immer mal Ideen, aber hierauf konnte ich mich auch einlassen“, gibt Judith Averberg gerne zu. Und so kam Ulrich Averberg in Ahlen-Vorhelm neben Schweinezucht und Ackerbau zu seinem neuen innovativen Standbein auf dem Hof, den er vor 20 Jahren von seinen Eltern übernommen hatte.

Foto: Ulrich Averberg (Copyright: Ulrich Averberg)
Ulrich Averberg

Vor mehr als zehn Jahren, gegen Ende der 2010er Jahre, hatte der studierte Landwirt einen Vortrag über die Produktion von Algen besucht. Der war die Initialzündung für die Idee. Algen waren hierzulande als Lebensmittel noch nicht allzu populär, dafür aber ein steigendes Bewusstsein für neue, gesündere, Tier- und Ressourcen-schonende Ernährungsweisen und ein stetig abnehmender Fleischkonsum. Und ständig steigende Produktions- und Betriebskosten, staatliche Vorgaben und Auflagen. Laut IT NRW schrumpften der nordrhein-westfälische Schweinebestand innerhalb eines Jahrzehnts um fast drei Millionen Tiere und analog die Schweinehaltungsbetriebe um mehr als drei Millionen. Im Falle der averbergschen Landwirtschaft zahlten auch die räumliche Nähe zum Dorf und die Einstellung der Anwohner zur Schweinehaltung auf dieses Konto ein.

Wer also hierzulande in der landwirtschaftlichen Erzeugung bzw. Produktion von Lebensmitteln beschäftigt ist, tut gut daran, über den sprichwörtlichen Rand seines Tellers hinauszuschauen – und sich was zu trauen. Das hat Ulrich Averberg getan. Er nahm eine halbe Million in die Hand und baute auf 2.500 Quadratmetern seines Hofes ein Gewächshaus mit zehn 30.000 Litern umfassenden Wasserbecken für die Anzucht von Algen. Hinzu kam alles, was man sonst noch benötigt, um Spirulina-Microalgen zu kultivieren, ernten, trocknen und zu Flakes, Pulver, Granulat, Tabletten und zu Bulkware für die Ernährungs- und Kosmetikindustrie zu verarbeiten. „Noch muss einiges an Aufklärungsarbeit gegen Skepsis und Unwissenheit geleistet werden, aber es ist eine schöne Herausforderung, dieses tolle Produkt nach vorne zu bringen“, findet Ulrich Averberg.

Die Nachbarschaft jedenfalls setzt sich mit der neuen Form von Landwirtschaft wohlwollend auseinander, und das Algenbrot vom Bäcker vor Ort erfreut sich großer Beliebtheit. Neben den 800 Schweinen und 40 Hektar Acker soll sich die Ressourcen-schonende Algenzucht mehr und mehr durchsetzen und die Tierhaltung irgendwann ablösen. Der Landwirt sieht in der Schweinemast in Deutschland keine Zukunft mehr – insbesondere nicht für die Generation seiner Kinder.
Stattdessen sieht er die globale Herausforderung, vor dem Hintergrund von Klima-, Tier- und Ressourcen-Schutz und immer neuen Ernährungstrends eine wachsende (Welt)bevölkerung nährstoffreich zu versorgen. Spirulina-Microalgen bringen bis zu 60 % pflanzliches Eiweiß, acht essentielle Aminosäuren, zahlreiche Vitamine, viel Eisen, gesunde Omega-3-Fettsäuren und entgiftendes Chlorophyll mit. „In dieser komprimierten Form kommen diese Nährstoffe jedenfalls in keinem anderen natürlichen Lebensmittel vor“, weiß Ulrich Averberg. Die Flakes eignen sich als Müsli- und Smoothie-Zutat oder als leicht salziges Add-on in der Gewürzmühle. Die Spirulina-Algen aus Ahlen benötigen neben ihrem natürlichen Lebensraum Wasser lediglich Kohlendioxid, ein paar Nährstoffe und Wärme und sie setzen sogar ihrerseits Sauerstoff frei. Sonnenlicht ist gut, 34 – 35 Grad sind im geschützten Gewächshaus optimal.
Dann verdoppelt sich das grüne Wunder täglich und bringt Ulrich Averberg bis zu zwei Tonnen Ertrag im Jahr.

Maschinen bringen Luft und CO2 in die Kulturbecken ein und wälzen die Spirulina um, sodass alle Micro-Algen an die Oberfläche gelangen und ausreichend Licht zum Wachsen bekommen. Eine Pumpe befördert das Algenwasser aus den Becken in die Erntemaschine, die mittels eines Förderbandes Algen und Wasser separiert. Das Wasser wird in den Kreislauf zurückgeführt und die dunkelgrüne Algenmasse von einer Art Spaghettimaschine in langen Reihen auf riesige Backbleche gespritzt, um über Nacht bei schonenden 40 Grad zu trocknen. Pi mal Daumen ergeben 100 Liter Spirulina etwa 15 Kilogramm Algenpulver. Regelmäßig, in der Hauptwachstumsphase täglich, überprüft Ulrich Averberg Proben seiner inzwischen biozertifizierten Algen unter dem Mikroskop. Daneben wird die fertige Ware von externen Laboren auf ihre Qualität getestet.

Die Micro-Alge hat ernährungsphysiologisch und mit Blick auf Umwelt und Klima so viel Potenzial, dass Ulrich Averberg sich mit elf anderen Erzeugern zur Deutschen Algen Genossenschaft eG zusammengeschlossen hat, um über die jeweilige Direktvermarktung hinauszuwachsen. Networking at it’s best. Gemeinsam werden sie Ideen und Geld in die Produktentwicklung und den Vertrieb investieren, denn obwohl sie gemeinschaftlich der größte deutsche Spirulina-Anbieter sind, ist beim Absatz noch viel Luft nach oben. Insbesondere Importware, deren Herkunft und Qualität sich nicht mit denen der deutschen messen kann, kämpft mit Dumpingpreisen um diesen Markt.

Spirulina-Micro-Algen made in Germany sind vegan, pestizid-, herbizid- und glutenfei und enthalten keinerlei Zusatz- und Konservierungsstoffe. Sie werden von den Erzeugern der Deutschen Algen Genossenschaft ressourcenschonend unter höchsten und kontrollierten Qualitätsstandards angebaut und gelangen als garantiert frische regionale Produkte auf kurzen Wegen zu Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Foto: Gewächshäuser für Spirulina-Microalgen Produktion (Copyright: Robert Medlin)
Foto: Gewächshäuser für Spirulina-Microalgen Produktion (Copyright: Robert Medlin)
Foto: Spirulina-Microalgen (Copyright: Robert Medlin)
Foto: Spirulina-Microalgen Produktion (Copyright: Robert Medlin)
Foto: Spirulina-Microalgen Produktion (Copyright: Robert Medlin)
Foto: Spirulina-Microalgen (Copyright: Robert Medlin)
Foto: Spirulina-Microalgen (Copyright: Robert Medlin)
Foto: Spirulina-Microalgen Produktion (Copyright: Robert Medlin)

Fotos: © Robert Medlin
Porträtfoto Ulrich Averberg: © Ulrich Averberg

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