
Alles gut beim Spargel?
Spätestens nach Ostern und dem sichtbaren Erwachen der Natur stellt sich bei vielen Menschen auch die Sehnsucht nach Spargel ein! Er ist mit Abstand das wichtigste und erste Gemüse im deutschen Freilandanbau und wird in Nordrhein-Westfalen auf rund 4.000 Hektar von ca. 360 Betrieben erzeugt. Damit ist NRW eines der drei Hauptanbaugebiete in Deutschland. Spargel ist das beste Beispiel für ein wirklich saisonales Frische-Produkt. Meist wird er in unseren Gefilden von Anfang/ Mitte April bis zum Johannistag am 24. Juni gestochen, gilt als wahrhaft gesundes Gemüse und wird zu den Super-Foods der regionalen Küche gezählt.
Die lange Tradition des Spargelanbaus in NRW und die Beliebtheit dieses Gemüses haben 2005 zur Gründung der Interessengemeinschaft „Spargelstrasse NRW“ durch die Spargelvereinigung Westfalen-Lippe e. V. geführt. 140 Spargelhöfe in NRW haben sich seinerzeit für die Spargelstrasse NRW zusammengeschlossen. Laut Anke Knaup von der Vereinigung der Spargelanbauer Westfalen-Lippe e. V. stehen heute 160 Mitgliedsbetriebe zwischen Rhein und Weser vom Vorgebirge zwischen Bonn und Köln, über den Niederrhein und Westfalen-Lippe bis ins östliche Münsterland für gelebte und gepflegte Spargelkultur.
Auf diesen Höfen können Verbraucher:innen auf sehr kurzen Wegen ganz frischen Spargel einkaufen. Und sie können sich auch über Anbau, Ernte und Verarbeitung dieses ursprünglich regionalen Produkts informieren. Die Spargelstrasse NRW ermöglicht zudem die wunderbare Verbindung von Freizeit und Genuss. So lassen sich viele bekannte Spargelanbaugebiete auf vorgegebenen Routen per Fahrrad erkunden. Auf den am Weg liegenden Höfen können die Radler:innen neben frisch zubereitetem Spargel auch andere Spezialitäten wie z. B. regionalen Schinken oder Käse genießen und sich in Bauerncafés verwöhnen lassen. Anke Knaup bestätigt, dass gerade hier die Vernetzung von Spargelhöfen mit anderen heimischen Erzeuger:innen und Initiativen, die ihrerseits für die landwirtschaftliche Produktvielfalt Nordrhein-Westfalens stehen, tatsächlich erlebbar wird: „Die Spargelstrasse hat diese Form der Vernetzung besonders angestoßen. Heute besuchen Verbraucher:innen unsere Homepage, um sich Informationen zu holen und von dort direkt zu den Mitgliedsbetrieben mit ihrer Produktvielfalt weiterleiten zu lassen. Das ist es, was die Menschen wirklich möchten!“ Dies unterstreicht auch Jochen Unterhansberg, selbst Spargelanbauer und Hofladen-Betreiber in Mülheim an der Ruhr: „Wir bieten den Menschen ein individuelles ‚naturgebliebenes‘ Einkaufserlebnis und stehen für Transparenz und Offenheit in Bezug auf unsere Produkte. Und wir können unseren Kund:innen noch immer die Geschichte unserer Produkte erzählen.“
Der Wunsch nach genussvoller Freizeitgestaltung spiegelt sich derzeit im guten Spargelabsatz in der Gastronomie wieder. Allerdings ist, bei aller Lust auf frischen Spargel, die Stimmung in der Branche dann doch getrübt. Denn trotz der guten Wetterbedingungen im Frühjahr mit einer bislang guten Ernte bleibt der Absatz in Direktvermarktung und Lebensmittelhandel zum Teil weit hinter den Erwartungen zurück. War es das also schon mit dem vielbeschworenen neuen Trend zur Regionalität?
Zwar hat Deutschland beim Spargel einen hohen Selbstversorgungsgrad von 87 Prozent. Trotzdem bietet der Handel in der deutschen Spargelhauptsaison vielfach sehr günstige Importware an, mit der die einheimischen Erzeuger schwerlich konkurrieren können. Die Kritik von Ralf Große Dankbar, Landwirtschaftskammer NRW, ist verständlich: „Der Handel ist vor Jahren schon auf den Zug aufgesprungen und wollte mehr regionale Produkte anbieten. Davon sieht man im Moment sehr wenig. In unserem Bereich ist doch vieles nicht mehr regional, sondern es wird sogar von weit her importiert, weil es dort günstiger angeboten wird. Und der Kunde kauft dann eben auch das günstige Produkt, was in den letzten Wochen schon auffällig war.“ Trotzdem die heimischen Spargelerzeuger:innen sehr früh gute Qualitäten anbieten konnten, blieb die Nachfrage im Handel in diesem Jahr hinter den Größenordnungen der Vorjahre zurück. „Das gute Frühjahr mit sehr guten Mengen und der gleichzeitig geringere Absatz führten naturgemäß zu Übermengen, was den Preisdruck nochmals verstärkte“, erklärt Jochen Unterhansberg, „und das bei massiv steigenden Produktionskosten.“
Dabei steht der saisonale Spargel aus Nordrhein-Westfalen nicht nur für Frische von nebenan, sondern auch für Qualität und Innovationen in Direktvermarktung und Spargelanbau. Dieser wird auch über Beratungsangebote der Landwirtschaftskammer beispielsweise zu neuen Sorten für passende Standorte unterstützt. Carsten Wenke ist bei der Landwirtschaftskammer NRW in der Anbauberatung tätig: „Innovation wird durch Sortenversuche forciert. Und trotz strenger Kontrollsysteme und hoher Umweltauflagen schafft man es bei uns, sehr gute Qualität nach hohem Standard zu produzieren.“
In der Gesamtbetrachtung sind sich alle Gesprächspartner einig, dass die Spargelbauern im Land auf diese Entwicklung werden reagieren müssen. Ein noch stärkerer Fokus auf die Direktvermarktung (aktuell bei ca. 70 %) kann demnach nicht der alleinige Schlüssel sein. Es steht zu befürchten, dass Erzeuger bisherige Spargelflächen künftig aus dem Anbau nehmen und anderweitig nutzen werden. Damit seien die von diesen Flächen stammenden Erntemengen dann langfristig nicht mehr verfügbar.
Mehr Infos: https://www.spargelstrasse-nrw.de/
Beitragsfoto: v.l.nr. Ralf Große Dankbar, Anke Knaup, Carsten Wenke (© Jörg Meyer | jumpr.com)